Es gibt zwei wesentliche Eigenschaften von Volatilität. Zum einen verhält sich Volatilität zyklisch und zum anderen ist Volatilität beständig. Dieser vermeidliche Widerspruch lässt sich in Anbetracht der Zeit auflösen. Über kurze Zeiträume tendiert Volatilität das Verhalten der jüngeren Vergangenheit fortzusetzen und das aktuelle Niveau beständig zu halten. Auf hohe Volatilität folgt hohe Volatilität und umgekehrt, zumindest kurzfristig. Über längere Zeiträume hinweg verhält sich Volatilität zyklisch. Auf Phasen niedrigerer Volatilität folgt eine Phase hoher Volatilität.
Wichtig hierbei ist, dass es nicht nur eine einfache Abfolge ist, sondern das die Zyklik und die Beständigkeit der Volatilität einander auslösen. Ebenso verhält es sich mit den Eigenschaften an sich. Niedrige Volatilität führt zu einer weiter sinkenden bzw. weiter niedrig bleibenden Volatilität. Aufgrund der niedrigen Volatilität können Marktteilnehmer wieder Aktien kaufen, wodurch Aktien steigen und die Volatilität weiter fällt. Es ist ein sich selbst verstärkender Effekt, bis das Bedürfnis nach Absicherung so tief gefallen ist, dass ein geringer Auslöser dazu führen kann, dass die Volatilität steigt.
Der Teufelskreis beginnt nun von vorn, jedoch mit steigender bzw. hoher Volatilität. Aufgrund der steigenden Volatilität müssen Anleger Aktien verkaufen, welches wiederum zu höher Volatilität führt, welches weitere Aktienverkäufe auslöst. Dies geht solange vor sich bis zum Höchststand der Volatilität.
Man erkennt an diesem Beispiel die beiden Merkmale der Volatilität: Zyklik und Beständigkeit. An dem Punkt der Beständigkeit von Volatilität setzt das „volatility targeting“ bzw. dt. Volatilitätszielsetzung an.
Was ist Volatility targeting?
Wie bereits gezeigt ist eine wesentliche Eigenschaft von Volatilität zeitlich gebündelt aufzutreten und kurzzeitig beständig zu sein. Auf eine hohe Volatilität in der jüngsten Vergangenheit folgt in der Regel hohe Volatilität in der nahen Zukunft. Robert Engle wurde 2003 für diese Erkenntnis und die Nutzbarmachung mit dem Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.
Volatility targeting versucht die Schwankungen in der Volatilität auszugleichen, indem es in Phasen niedriger Volatilität das Portfolio hebelt und in Phasen hoher Volatilität die Aktienquote reduziert. Mit diesem Ansatz versucht man ein konstantes Niveau der Portfolioschwankungen zu erreichen.
So kann man mit Volatility targeting über verschiedene Zeiträume und Börsenphasen ein konstantes Niveau der Portfolioschwankung erreichen. Ebenso kann man mit Volatility targeting ein Portfolio aus unterschiedlich stark schwankenden Assetklassen wie Öl und Aktien mit einer konstanten Schwankungsbreite konstruieren.
Warum funktioniert Volatility targeting?
Volatility targeting funktioniert aufgrund der wesentlichen Eigenschaft von Volatilität zeitlich gebündelt aufzutreten. Des Weiteren fußt Volatilitätszielsetzung für Porfolioen darauf, dass Volatilität negativ mit Renditen korreliert ist. Hohe Volatilität tritt häufig zusammen mit negativen Renditen auf und niedrige Volatilität mit positiven Renditen.
Welche Auswirkungen hat Volatility targeting?
Im Allgemeinen führt die Umsetzung einer Volatilitätszielsetzung zu einer Erhöhung der risikoadjustierten Rendite. Volatility targeting erhöht die Sharpe Ratio von Risikoanlagen wie Aktien und Portfolios mit Aktienanteil. Des Weiteren verringert es die Wahrscheinlichkeit von extremen Wertschwankungen, sowohl positiver als auch negativer.
Die Renditen am Aktienmarkt sind größtenteils normalverteilt mit einer leicht positiven Tendenz. Jedoch ist die Marktrendite nicht perfekt normalverteilt, sondern es gibt sogenannte „fetten Enden“ der Renditeverteilung. Dies sind extreme Renditeausreißer. Insbesondere die linke Seite der extremen Ausreißer ist für Anleger besonders wichtig, da diese die Verluste darstellen. Jeder weiß, auch dank Warren Buffett, niemals Geld zu verlieren, weil es exponentiell schwerer wird einen einmal erlittenen Verlust wiederzuerlangen je höher der Verlust ist.
Volatility targeting hilft dabei diese extremen Verluste zu verringern, da diese Extremereignisse typischerweise in Phasen hoher Volatilität auftreten, zu denen die Zielvolatilität des Portfolios es vorgibt niedriger in Aktien gewichtet zu sein. Volatility targeting ist also eine Möglichkeit den maximalen Verlust seines Portfolios zu reduzieren.
Wie setzt man Volatility targeting für sein Portfolio um?
Zunächst muss man sich bewusst machen, dass die Implementierung einer Zielvolatilität konstantes Rebalancing des Portfolios erfordert. Jeweils zum Anfang einer Periode muss man das Portfolio der aktuellen Volatilität anpassen, dies kann stündlich, täglich, wöchentlich oder monatlich passieren.
Im nächsten Schritt muss man eine Zielvolatilität für sein Portfolio festlegen. Mit meinen Volatilitätsrechner können sie eine für sie passende Volatilität finden. Angenommen man möchte, dass sein Portfolio so stark schwankt wie der Markt im Durchschnitt, dann läge die Zielvolatilität bei ca. 4,2% pro Monat.
Die Umsetzung des Volatility targeting wird als Volatility scaling bezeichnet. Man skaliert seine Aktienquote je nach vorherrschender Volatilität.
Ziel beim Volatility targeting ist es ein konstantes P&L zu haben. Die Gewinne und Verluste sollen relativ konstant um ein vorher definiertes Niveau bzw. 4,2% pro Monat schwanken. Die Schwankungen des Portfolios setzen sich zusammen aus der Anzahl der gehaltenen Kontrakte mal der Preisschwankung pro Kontrakt:
P&L = Anzahl der Kontrakte * Preisschwankung pro Kontrakt
Die Anzahl der Kontrakte bestimmt sich nach der allgemeinen Positionierung und der Volatilität im Markt. Mit steigender Volatilität im Markt soll die Anzahl der Kontrakte sinken und mit sinkender Volatilität ein Hebel verwendet werden. In einer Formel ausgedrückt sieht es wie folgt aus:
Anzahl der Kontrakte = allgemeine Positionierung * (1/Volatilität im Markt)
Die Preisschwankungen pro Kontrakt sind nicht anderes als die Volatilität im Markt, somit folgt:
P&L = [allgemeine Positionierung*(1/Volatilität im Markt)]*Volatilität im Markt
Dem Profi wird aufgefallen sein, dass man sich hierbei eines Tricks bedient. Volatilität im Markt ≠ Volatilität im Markt. Bei der Berechnung der Kontraktanzahl verwendet man die vergangene Volatilität der Kontrakte, während die Preisschwankungen pro Kontrakt von der zukünftigen Volatilität bestimmt werden. Entweder man ignoriert dieses Problem, was die meisten tun, oder man versucht Annahmen über die zukünftige Volatilität zu treffen, was meist scheitert und letztlich auch nur aus vergangenen Daten berechnet wird.
Nun stellt sich die Frage, welchen Wert man für die Volatilität im Markt nimmt? Soll man die historische Volatilität des Basiswertes nehmen oder die implizite Volatilität, wie den VIX im Falle des S&P500, oder einen ganz anderen Wert? Meiner Erfahrung nach macht es Sinn die Einschätzung der Volatilität im Markt nach seinem Handelssystem individuell anzupassen. Dabei sollte man jedoch immer im Hinterkopf haben, dass diese Einschätzung der Volatilität die zwei Wesensmerkmale der Volatilität aufweisen sollte: Zyklik und Beständigkeit.
So nutze ich Volatility targeting
Meine Handelsstrategie, welche ich auch in einen wikifolios umsetze, beruht auf den zwei genannten Merkmalen der Volatilität: Zyklik und Beständigkeit. Hierbei nutze ich auch das Volatility targeting – jedoch etwas angepasst. Das Volatility targeting setzt grundsätzlich voraus, dass man einmal pro Betrachtungsperiode die Anzahl der Kontrakte der aktuellen Volatilität anpasst. Da ich auf einer täglichen Basis den Markt betrachte müsste ich daher jeden Tag die Aktienquote anpassen. Dies macht aus mehreren Gründen keinen Sinn.
Transaktionskosten und Steuern machen es Privatanlegern unmöglich diese Art des Volatility targeting umzusetzen. Daher habe ich für mein Handelssystem den Grundgedanken des Ansatzes übernommen und Bereiche festgelegt ab denen ich handeln muss. So kann sich die Volatilität bewegen ohne das eine Anpassung meinerseits nötig wird. Überschreitet die Volatilität einen bestimmten Wert oder gibt es sonst einen Auslöser passe ich die Anzahl der Kontrakte an.
Dies führt in der Praxis zu Ergebnissen die Nahe an ein tägliches Rebalancing heranreichen jedoch aufgrund der weit niedrigeren Transaktionskosten für mich sogar ertragreicher sind. Ich erhöhe die risikogewichtete Rendite und verringere die Wahrscheinlichkeit von hohen Verlusten bei gleichzeitig wenigen Transaktionen. Im Durchschnitt habe ich aktuell in meinem wikifolio eine Tradefrequenz von einem Trade alle zwei Wochen, während ich beim täglichen Rebalancing 10 Trades umsetzen müsste (zwei Wochen á fünf Handelstage).